Oh Schreck, das Paket ist weg! – Möglichkeiten des Online-Händlers bei Paketverlust

Oh Schreck, das Paket ist weg! – Möglichkeiten des Online-Händlers bei Paketverlust

10. Juni 2024-

© Akos Nagy / shutterstock.com


Es passiert täglich und es ist für Online-Händler nicht nur eine nervige, sondern in den meisten Fällen auch teure Angelegenheit: Das Paket ist auf dem Weg zum Kunden an irgendeiner Stelle verloren gegangen. 

Der nachfolgende Artikel gibt Ihnen Auskunft über Rechte und Pflichten beider Parteien und nimmt auch Bezug auf praxisrelevante Beispiele. 

Im Verbrauchsgüterverkauf tragen Sie als Online-Händler das Transportrisiko. Dies beginnt bei Übergabe an den gewählten Transportdienstleister und endet mit der tatsächlichen Zustellung an den korrekten Kunden. 

Wichtig: Die Transportgefahr kann in keinem Fall auf den Verbraucher übertragen werden.

Der Paketverlust

Üblicherweise meldet sich der Kunde bei Ihnen und fragt, wo sein Paket geblieben ist oder er teilt mit, dass es trotz offenbar erfolgreicher Zustellung laut Sendungsverfolgung nicht zugestellt wurde. Und jetzt fängt die Detektivarbeit für Sie an. Da der Kunde ein “Nichts” nicht beweisen kann, müssen Sie als Online-Händler die ordnungsgemäße Zustellung nachweisen. 

Dies kann durch einen Zustellbeleg des Versanddienstleisters gelingen. Hier gibt es schon das erste Problem. Eine erfolgreiche Zustellung nach den Bedingungen des Versanddienstleisters ist nicht zwingend gleichzusetzen mit der tatsächlich erfolgreichen Zustellung beim korrekten Kunden. So ist ein Zustellbeleg mit namentlicher Erwähnung des Kunden nebst dessen Unterschrift ein starkes Argument für die korrekte Zustellung, ein Beleg hingegen, der lediglich aussagt: “Zugestellt am 22.05.2024” ohne weitere Hinweise bedarf weiterer Recherche und genügt in der Regel nicht als Nachweis. 

Behauptet der Kunde also, ein Paket nicht erhalten zu haben, ist der erste Schritt immer, eine Nachforschung beim Transportunternehmen anzufragen. Verlangen Sie ggf. auch eine Zeugenbefragung des Zustellers. Parallel dazu bitten Sie den Kunden um die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung über den Nichterhalt der Ware. Der Kunde ist nicht dazu verpflichtet, wenn die Ware aber tatsächlich nicht bei ihm ankam, wird er diese erfahrungsgemäß schon abgeben. Diese wird teilweise für die Nachforschung verlangt. 

Kommt die Nachforschung zu dem Ergebnis, dass das Paket tatsächlich auf Seiten des Transportunternehmens verloren gegangen ist, können Sie den Versanddienstleister zur Regulierung des Schadens (Schadensersatz) auffordern. Der Kunde bekommt je nach Wunsch und Möglichkeit sein Geld zurück oder Sie liefern neu. 

Achtung! Die Klärung und Nachforschung mit dem Versanddienstleister darf nicht “auf dem Rücken des Kunden” erfolgen. Der Kunde darf daher nicht so lange vertröstet werden, bis Sie mit dem Versanddienstleister zu einem Ergebnis gekommen sind. In der Praxis ist dem Kunden das Geld zu erstatten und dieses holen Sie sich dann im Nachgang vom Transportunternehmen zurück. 

Komplizierter wird der Fall, wenn das Transportunternehmen behauptet, dass alles mit der Lieferung in Ordnung war und das Paket korrekt zugestellt wurde. Jetzt steht es Aussage gegen Aussage (Transportunternehmen VS Kunde) und Sie sind in einer denkbar ungünstigen Situation. Es droht der Verlust der Ware und des vom Kunden ggf. schon gezahlten Kaufpreises. 

Hier ist der erste Schritt, den Kunden über das Ergebnis zu informieren und spätestens jetzt um die Abgabe der eidesstattlichen Erklärung zu bitten. Der Kunde hat keine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung, dennoch könnten Sie ihn höflich bitten, auch mal bei den Nachbarn oder den eigenen Familienangehörigen zu fragen, ob nicht doch jemand das Paket entgegengenommen hat. 

Leider kann bei der Zustellung sehr viel schief gehen. Sie haften gegenüber dem Kunden für Fehler, die das Transportunternehmen bei der Zustellung möglicherweise gemacht hat, dazu zählen: 

  • der Zusteller hat das Paket ohne Berechtigung einer Dritten Person (z. B. Nachbarn, jemanden im Hausflur usw.) übergeben und dann die korrekte Zustellung vermerkt
  • der Zusteller hat das Paket ohne Abstellgenehmigung irgendwo abgestellt, dann ging es verloren
  • der Zusteller hat das Paket in den Briefkasten “gestopft”, sodass ggf. ein Dritter dieses mühelos entwenden konnte, weil es noch teilweise sichtbar war
  • der Zusteller hat den Zustellbeleg bewusst oder unbewusst fehlerhaft ausgefüllt
  • der Zusteller hat (z. B. bei erfolgloser Zustellung) das Paket in einen Paketshop oder eine Packstation verbracht, wo es entwendet wurde

Wenn eine der vorgenannten Fälle aufgetreten ist oder Sie nicht mit ziemlicher Sicherheit ausschließen können, dass einer der Punkte eingetroffen ist, bleibt die Konsequenz, dass Sie dem Kunden das Geld zu erstatten haben. Erwidern Sie dem Versanddienstleister unter Vorlage der eidesstattlichen Erklärung, dass hier trotz erfolgloser Nachforschung ein Schaden entstanden ist und fordern Sie zum Ersatz des Schadens auf. 

Im Umkehrschluss: wenn der Kunde eine ausdrückliche Abstellgenehmigung erteilt hat und der Zusteller dieser Anweisung nachgekommen ist, und danach geht das Paket verloren, sind Sie aus der Haftung raus und der Kunde hat keine Ansprüche mehr gegen Sie wegen Paketverlust. Gleiches gilt, wenn er explizit einen Nachbarn als empfangsberechtigt hinterlegt oder die Einlieferung in eine Packstation beauftragt hat. 

Achtung! Trotz gegebener Abstellgenehmigung durch den Kunden ist der Kunde nach der Abstellung darüber zu informieren, z B. per Mail oder per Karte im Briefkasten. Unterbleibt diese Information, gilt die Zustellung als nicht wirksam (Urteil des BGH I ZR 212/20 vom 7. April 2022). 

Der Versanddienstleister erstattet den Schaden nicht und lehnt die weitere Bearbeitung ab, der Kunde behauptet weiterhin, er hat das Paket nicht erhalten, was nun?

An dieser Stelle kann keine der beiden Seiten zu einer für Sie positiven Einigung gezwungen werden. Sie könnten, um sich zusätzliche Kosten zu sparen, aus Kulanz dem Kunden das Geld (trotz Zweifel) erstatten und die Angelegenheit ist vom Tisch. Sie könnten auch mit Verweis auf die erfolglose Nachforschung und somit aus Sicht des Dienstleisters ordnungsgemäße Zustellung die Ansprüche des Kunden ablehnen. 

Beide Seiten (Sie und Ihr Kunde) können dann natürlich auch den gerichtlichen Weg beschreiten, damit ein Gericht final und endgültig entscheidet. Es besteht jedoch immer das Risiko einer Niederlage. Beraten Sie sich im Einzelfall daher immer am besten vorab mit einem Experten.

Tipp: Lieferbedingungen des Transportunternehmens prüfen

Bitte lesen Sie die AGB des Transportunternehmens genau durch, bevor Sie ein solches beauftragen und informieren Sie sich über die verschiedenen Anbieter und deren Leistungen. Finden Sie das für Sie richtige Angebot. Die Dienstleister halten sich teilweise unaufgeforderte Ersatzzustellungen an die Nachbarn ausdrücklich vor. Für den Dienstleister gilt dann die Zustellung als erfolgreich, rein rechtlich und im Verhältnis zum Kunden hingegen war die Zustellung u. U. nicht erfolgreich. Dies hat große Auswirkungen darauf, ob hier der Schaden reguliert wird oder nicht. 

Was können Sie präventiv machen, um solche Fälle zu minimieren? 

Dokumentieren Sie schon das Verpacken der Ware, z. B. mit Bildern oder Videos. Vermerken Sie sich das Versandgewicht des Pakets, bevor es Ihr Lager verlässt. Untersagen Sie dem Dienstleister, z. B. per individueller Vereinbarung, eine Ersatzzustellung an Dritte oder die Ablage ohne Genehmigung. Bei hochpreisigen Artikeln sollten Sie immer die persönliche Übergabe mit Unterschrift des korrekten Kunden als Versandmethode vereinbaren. 

Exkurs: Das Paket ging auf dem Rückweg zum Online-Händler nach einem Widerruf verloren

Auch hier trägt der Online-Händler das Versandrisiko. Der Verbraucher muss die (korrekte) Ware lediglich angemessen und sicher verpacken sowie einen Nachweis darüber erbringen, dass er die Ware an den Transportdienstleister übergeben hat (z. B. Einlieferungsbeleg). Geht also die Ware auf dem Weg zu Ihnen verloren, fordern Sie den Einlieferungsbeleg von dem Kunden und prüfen Sie kritisch, ob das dort vermerkte Paketgewicht auch mit dem Gewicht der Ware übereinstimmt. 

B2B-Handel: Der Kunde ist kein Verbraucher sondern Unternehmer

Wenn Ihr Kunde ein Unternehmer ist, trägt er das Transportrisiko und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem Sie die Ware (sicher verpackt) an das Transportunternehmen nachweislich übergeben haben. 

Sie benötigen rechtliche Unterstützung oder Mustervorlagen für konkrete Einzelfälle? Sprechen Sie uns gern an!

Ihr Ansprechpartner

Wirtschaftsjurist Stefan Kunze, LL.M.
info@hb-ecommerce.eu

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