Kartellrechtliche Bußgelder wegen vertikaler Preisbindung sind im Onlinehandel weiterhin sehr praxisrelevant – auch Händlern drohen Bußgelder

Kartellrechtliche Bußgelder wegen vertikaler Preisbindung sind im Onlinehandel weiterhin sehr praxisrelevant – auch Händlern drohen Bußgelder

26. April 2024-

© Casimiro PT / shutterstock.com


Das Bundeskartellamt verfolgt nach wie vor sehr aktiv Verstöße gegen das Verbot der vertikalen Preisbindung, insbesondere auch im Onlinehandel. Das zeigt exemplarisch der aktuelle Bußgeldfall bei Schutzkleidung, der vom Bundeskartellamt entschieden wurde und mit einem hohen Bußgeld für den betreffenden Hersteller durch einvernehmliche Verfahrensbeendigung endete (siehe B10-21-21.pdf (bundeskartellamt.de)).

Rechtliche Details zum Thema vertikale Preisbindung – insbesondere auch mit Blick auf andere relevante Rechtsgebiete – können sie dem Merkblatt des Händlerbundes entnehmen, welches hier abrufbar ist.

Verbot der vertikalen Preisbindung im Kartellrecht

Eine vertikale Preisbindung (häufig auch als Preisbindung der zweiten Hand bezeichnet) liegt immer dann vor, wenn der Abnehmer der Ware oder Dienstleistung – in der Beziehung zwischen Hersteller und Händler also der Händler – in seiner Freiheit eingeschränkt wird, die Abgabepreise für die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen selbst festzulegen.

Eine vertikale Preisbindung kann neben direkten Mitteln auch durch indirekte Mittel angewendet werden, z. B. durch Anreize zur Einhaltung eines Mindestpreises oder durch negative Anreize zur Abweichung von einem Mindestpreis. Die folgenden Beispiele stellen eine nicht abschließende Liste solcher indirekten Mittel dar:

  • Festlegen der Weiterverkaufsspanne,
  • Festlegen eines Nachlasses, den der Händler auf ein vorgegebenes Preisniveau höchstens gewähren darf,
  • Festlegen von Bestimmungen, nach denen das Gewähren von Nachlässen oder das Erstatten von Werbeaufwendungen durch den Anbieter von der Einhaltung eines vorgegebenen Preisniveaus abhängig gemacht wird,
  • Festlegen von Mindestwerbepreisen, wodurch es dem Händler untersagt ist, mit Preisen unterhalb eines bestimmten vom Anbieter festgelegten Preisniveaus zu werben,
  • Drohungen, Einschüchterungen, Warnungen, Strafen, Verzögern oder Aussetzen von Lieferungen bzw. Vertragskündigung bei Nichteinhaltung eines bestimmten Preisniveaus.
Kartellrechtliche Bewertung der vertikalen Preisbindung

Vom sog. Kartellverbot nach europäischem Recht und deutschem Recht – d.h. dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen – erfasst sind Vereinbarungen einer vertikalen Preisbindung und sog. abgestimmte Verhaltensweisen, die eine solche Preisbindung herbeiführen. Als „vertikal“ wird die Beziehung zwischen Unternehmen bezeichnet, die – wie etwa Hersteller und Händler – auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind. Es besteht also ein Preisbindungsverbot. Das deutsche Recht untersagt auch schon das Androhen oder Zufügen von Nachteilen oder das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen mit dem Ziel, zu einem nach Kartellrecht verbotenen Verhalten zu veranlassen. Hersteller dürfen demnach weder durch Anreize noch durch Druckausübung versuchen, andere Unternehmen zu einer verbotenen Preisbindung zu bewegen.

Wie schwer wiegt ein Verstoß gegen das Preisbindungsverbot?

Vertikale Preisbindungen werden als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und somit als schwerwiegender Kartellrechtsverstoß angesehen. Sie haben nach der aktuellen Kartellrechtslage aus sich selbst heraus regelmäßig eine Wettbewerbsbeschränkung zur Folge, ebenso wie zum Beispiel Preis- und Gebietsabsprachen zwischen Wettbewerbern. Dies bedeutet, dass es nicht erforderlich ist, im Einzelnen ihre Auswirkungen auf den Markt zu untersuchen, um die Wettbewerbsbeschränkung festzustellen.

Was ist die Folge der Einordnung der vertikalen Preisbindung als schwerwiegender Kartellrechtsverstoß?

Verstöße gegen das Preisbindungsverbot werden als schwerwiegende Kartellrechtsverstöße von den Kartellbehörden besonders stark verfolgt und mit sehr hohen Bußgeldern (bis zu 10% des Jahresumsatzes) belegt. Auch Schadensersatzansprüche von vermeintlich Geschädigten sind denkbar. Die Kartellbehörden können sowohl gegen Hersteller als auch gegen Händler ein Verfahren einleiten und Bußgelder verhängen. Die Behörden werden grundsätzlich insbesondere auch die Marktposition der am Verstoß beteiligten Unternehmen sowie die Schwere und Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrages als Kriterien heranziehen. Onlinehändler müssen darauf achten, dass eine Einmischung in ihre eigene Preispolitik durch einen Hersteller nicht als Zustimmung zu dieser Einmischung gewertet wird, da ansonsten eine Beteiligung des betreffenden Onlinehändlers an einem Kartellrechtsverstoß in Form der vertikalen Preisbindung herleitbar sein kann. Eine klare Distanzierung von entsprechenden Begehren von Herstellern und eine entsprechende Dokumentation ist wichtig, um im Ernstfall Nachweise zur Entlastung liefern zu können.

Was sind die Besonderheiten des aktuellen Falls?

Der Fall zeigt, dass mittlerweile bei Onlinehändlern in verstärktem Maße zu beobachten ist, dass sie sich aktiv gegen Preisvorgaben des Herstellers oder eine Einmischung des Herstellers in die Preispolitik des Händlers zur Wehr setzen, da sie wissen, dass auch Onlinehändlern Bußgelder drohen. Denn das Verfahren wurde durch einen sog. Kooperationsantrag eines Onlinehändlers an das Bundeskartellamt eingeleitet.

Der Hersteller und die jeweils betreffenden Händler waren sich nach den Feststellungen des Bundeskartellamts u.a. einig, dass die Wiederverkaufspreise vom jeweiligen Fachhändler so gesetzt werden sollten, dass sie möglichst der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) entsprechen und jedenfalls nicht merklich unter dieser liegen. Somit stellte das Bundeskartellamt einen Verstoß gegen das Preisbindungsverbot fest.

Das Bundeskartellamt hat zur Aufklärung des Kartellrechtsverstoßes eine Anfang 2021 neu eingeführten Ermittlungsbefugnis (Auskunftsbeschluss im Ordnungswidrigkeitenverfahren) genutzt. Auskunftsbeschlüsse ermöglichen es dem Bundeskartellamt, Informationen und Beweismittel von Unternehmen (und unter bestimmten Voraussetzungen auch von Unternehmensangehörigen) – ohne Durchsuchung – mittels eines Beschlusses anzufordern. Die Adressaten sind verpflichtet, dem Bundeskartellamt wahrheitsgemäß alle Fragen nach Tatsachen (bis zur Grenze eines Geständnisses) zu beantworten und alle angeforderten Dokumente zu übermitteln.

Damit konnte das Bundeskartellamt unter Schonung eigener Ressourcen den Fall aufklären. In diesem konkreten Einzelfall hat das Bundeskartellamt davon abgesehen auch gegen die betreffenden Onlinehändler Bußgeldverfahren zu eröffnen, vermutlich auch, da der Kernverstoß auf Seiten des Herstellers gesehen wurde. Ein Händler hatte zudem auch das Verfahren erst in Gang gesetzt.

Fazit

Das Thema vertikale Preisbindung bleibt praktisch sehr wichtig und Onlinehändler müssen deswegen ihre Compliancearbeit in diesem Bereich stark aufstellen und ggf. die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entsprechend kartellrechtlich schulen.

Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwalt Dr. Nils Ellenrieder, LL.M. (Edinburgh)
kontakt@ellenrieder-kartellrecht.com

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