Kündigung von Unterlassungserklärungen

Kündigung von Unterlassungserklärungen

8. November 2023-

© David Gyung / shutterstock.com


Im Onlinegeschäft stehen Abmahnungen aus den Bereichen des Wettbewerbs-, Marken- oder Urheberrechts an der Tagesordnung. Neben Kostenansprüchen (Schadensersatz, Anwaltskosten) wird zur außergerichtlichen Streitbeilegung des Unterlassungsanspruchs naturgemäß immer auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung von den jeweiligen Abmahnern verlangt. Eine solche vom Abmahner selbst vorformulierte Unterlassungserklärung ist dem Abmahnschreiben in den meisten Fällen bereits beigefügt.

Es ist keine Seltenheit, dass betroffene Händler und Händlerinnen bei Erhalt einer solchen Abmahnung häufig ohne vorherige rechtliche Überprüfung durch einen Anwalt oder eine Anwältin die beigefügte Unterlassungserklärung selbstständig und änderungslos unterzeichnen. Oft sehen sich kleine Unternehmen bereits aus Kostengründen zur Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung verpflichtet.

Die damit verbundenen Konsequenzen sowie die mit einer solchen Erklärung einhergehenden weitreichenden Pflichten sind den Betroffenen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung in vielen Fällen noch nicht bewusst. Das Ausmaß einer solchen Erklärung zeigt sich vielmehr erst nachträglich in Form von rechtlichen Weiterungen, wie bspw. Vertragsstrafenforderungen und/oder erneuten Abmahnungen. In diesem Stadium wird dann oftmals erst der Weg zum Anwalt/zur Anwältin angetreten. Nachträglich stellt sich oftmals heraus, dass eine rechtlich zu umfangreiche Erklärung abgegeben wurde oder das Verhalten, zu dem sich in der Erklärung verpflichtet wurde, eigentlich rechtmäßig gewesen wäre. In Bezug auf ältere Unterlassungserklärungen kann gelegentlich festgestellt werden, dass ein damals als rechtswidrig abgemahntes Verhalten, zu welchem sich im Rahmen der Unterlassungserklärung verbindlich verpflichtet wurde, aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum jetzigen Zeitpunkt als zulässig angesehen werden muss.

In all diesen vorgenannten Fällen stellt sich die Frage, ob sich eine Partei (idR der Unterlassungsschuldner) einseitig (der Unterlassungsgläubiger wird einer Auflösung regelmäßig nicht zustimmen) nachträglich von einem solchen Vertrag lösen kann.

Grundsätzliches

Bei einer Unterlassungserklärung bzw. konkret dem zwischen den Parteien aufgrund  der Unterlassungserklärung zu Stande gekommenen Unterlassungsvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Nach Zustandekommen eines solchen Unterlassungsvertrages, hat dieser Bindungswirkung („Pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten). Die Betroffenen müssen sich an die Unterlassungserklärung halten. Es gelten weitreichende Unterlassungs- und Beseitigungspflichten. Anderenfalls droht im Verletzungsfall eine erneute Abmahnung oder Vertragsstrafenforderungen in Höhe von mehreren tausend Euro.

Der Unterlassungsvertrag kann – ohne Einverständnis der Gegenseite – daher nur ausnahmsweise und nur in engen Grenzen bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einseitig aufgelöst werden.

Folgende Möglichkeiten einer nachträglichen Auflösung kommen in Betracht:

Kündigung

Ein Unterlassungsvertrag als Dauerschuldverhältnis kann gemäß § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.  Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Solche wichtigen Gründe, die zur außerordentlichen Kündigung einer Unterlassungserklärung berechtigen sollen, wurden von der Rechtsprechung bspw. für folgende Fällen angenommen:

  • Nachträglicher Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs, bspw. durch nachträgliche Änderung der Gesetzeslage oder Änderung der Rechtslage nach höchstrichterlicher Leitentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, I ZR 210/12 – „fishtailparka“)
  • Fehlverhalten des Abmahners, bspw. rechtsmissbräuchliche Abmahnung (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2019, I ZR 6/17 – „Kündigung der Unterlassungserklärung“).

Neben der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ist eine Kündigung des Unterlassungsvertrages generell auch gemäß § 313 BGB wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage denkbar. Die Rechtsprechung stellt im Rahmen von § 313 BGB höhere Anforderungen als bei § 314 BGB, sodass eine Kündigung eines Unterlassungsvertrages nach § 313 BGB nur in absoluten Ausnahmesituationen in Betracht kommen.

Anfechtung

Darüber hinaus ist neben der Kündigung bei Einhaltung der jeweiligen Anfechtungsfrist und Vorliegen eines Kündigungsgrundes auch eine Anfechtung des Unterlassungsvertrages denkbar (§§ 119 ff. BGB).

Erwähnenswert ist dabei vorrangig die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB. Immer wieder kommt es im Rahmen außergerichtlicher Abmahnungen zu Täuschungshandlungen des Abmahners über wesentliche Umstände, (bspw. sog. „Fakeshops“, Verschweigen wesentlicher Tatsachen, Täuschung über Mitgliederanzahl bei Wettbewerbsverbänden, etc.) welche die Abgabe der Unterlassungserklärung zum Ziel haben.

In diesen Fällen kann eine Anfechtung nach § 123 BGB in Betracht kommen. Der (gerichtsfeste) Nachweis einer solchen Täuschung, welche vom Unterlassungsschuldner zu erbringen ist, gestaltet sich in der Praxis jedoch in den meisten Fällen als sehr schwierig.

Auflösende Bedingung im Vertrag und sonstige Nichtigkeitsgründe

Auflösende Bedingungen können den Vertrag ebenfalls zu Fall bringen, soweit diese zulässig bzw. von dem Unterlassungsgläubiger bei Abgabe der Unterlassungserklärung akzeptiert werden. Da eine Unterlassungserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich, d.h. sein muss, können derartige Bedingungen aber ebenfalls nur in engen Grenzen zugelassen werden.

Schließlich gelten für Unterlassungsverträge die allgemeinen vertraglichen Nichtigkeitsgründe (bspw. § 104 ff., § 134 BGB; § 138 BGB).

Nach alledem kann insgesamt nur wärmstens empfohlen werden, bestehende Unterlassungsverträge, insbesondere mit Blick auf Änderungen in der Sach- und Rechtslage regelmäßig überprüfen zu lassen.

Die eigenmächtige Aussprache von Kündigungen, Anfechtungen, etc. sollte dabei nur unter anwaltlicher Beratung stattfinden, um rechtliche Konsequenzen und Kostenrisiken zu vermeiden oder zu minimieren. Unabhängig davon sollte bereits bei Erhalt eines Abmahnschreibens und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung anwaltliche Hilfe zu Rate gezogen werden, um die oben diskutierten Folgefragen bestenfalls bereits unmittelbar zu umgehen.

Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwältin Lisa Wilke
info@hb-ecommerce.eu

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